Der lange schwelende Nahostkonflikt hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Am 7. Oktober 2023 hat die radikalislamische Terrorgruppe Hamas vom Gazastreifen aus Israel mit Raketen beschossen, ist auf israelisches Staatsgebiet eingedrungen und hat dort Terrorakte verübt, unter anderem auch Zivilisten verschleppt. Israel hat daraufhin eine Offensive gegen die Hamas im Gazastreifen gestartet.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in Israel und im Gazastreifen wollen wir unseren Kunden einige Hintergrundinformationen dazu geben, ob und wenn ja, wie sich diese Ereignisse auf ihren Versicherungsschutz auswirken.
Dabei möchten wir folgende Fragestellungen beleuchten:
- Was bedeutet der Krieg in Nahost für den Versicherungsschutz für die einzelnen Sparten?
- Welche Herausforderungen gilt es hier zu beachten?
- Wie steht es um Sanktionen und Klauseln? Greifen Kriegs- und Terrorklauseln oder -Ausschlüsse?
- Was müssen Unternehmen beachten, die Mitarbeiter*innen oder Geschäftspartner*innen in Israel oder der Region haben?
Grundsätzlich gilt für alle Versicherungssparten, dass keine EU-Sanktionen gegen Israel bestehen. Die an Israel angrenzenden Länder Ägypten, Libanon und Syrien sind bereits auf unterschiedlichste Weise sanktioniert. Hier gilt es diese Sanktionen zu beachten!
Die aktuelle Kriegslage in Israel und dem Gazastreifen lässt den Versicherungsschutz in der Verkehrshaftungsversicherung für Transporte von und nach Israel dem Grunde nach zunächst unberührt.
Allerdings sind zwei wesentliche Ausnahmen von diesem Grundsatz zu beachten, die zu einem Versagen des Deckungsschutzes im Schadenfall führen können:
a) Ausschluss für Krieg und kriegsähnliche Ereignisse etc.
b) Beschlagnahme von hoher Hand
Das bedeutet, dass Schäden, die auf eines der beiden Szenarien zurückzuführen sind, nicht versichert wären. Das gilt dann auch für die Abwehr unbegründeter Ansprüche.
Das folgende Beispiel zeigt auf, welche Fragen rund um einen Schadenfall auftreten können.
Sollte ein Seehafen in Israel für ein Containerschiff infolge des Krieges bzw. eines kriegsähnlichen Ereignisses nicht angelaufen werden können, stellt sich zunächst einmal die Frage, ob eine Haftung des Spediteurs, bzw. des Verfrachters, für das Ablieferungshindernis überhaupt in Betracht kommt. Auf der Seestrecke gilt eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast. Je länger der Konflikt und die aktuelle Kriegssituation aber anhalten, wird man möglicherweise nicht mehr von einem unabwendbaren Ereignis sprechen können.
Daher gilt es die Frage aufzuwerfen, ob das Ablieferungshindernis für den Spediteur bzw. den Verfrachter vorhersehbar war oder nicht.
Ferner sollte die Frage gestellt werden, welche zusätzlichen Aufwendungen für den Spediteur bzw. den Verfrachter zumutbar sind, um der Transportverpflichtung nachzukommen.
Auf der Seite der Versicherung besteht damit die Gefahr, dass die Versicherer sich auf den Ausschluss von Krieg oder kriegsähnliche Ereignisse berufen.
Welche Herausforderungen gilt es für Logistiker zu beachten?
Das Geschehen in dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen entwickelt sich seit Anfang Oktober 2023 sehr dynamisch. Das gilt insbesondere für die Gefährdungslage für die Zivilisten einerseits und die Infrastruktur andererseits.
Logistikdienstleister sollten daher:
- das Geschehen fortlaufend beobachten,
- Warnhinweise seitens der Behörden beachten
- sich in Bezug auf die Organisation und Durchführung von Transporten nach Israel eng mit ihren Auftraggebern abstimmen (z.B. zur Wahl der Transportmittel)
- und diese über mögliche Gefahren für das transportierte Gut auf dem Laufenden halten.
- Der Auftraggeber bzw. Verlader sollte in die Lage versetzt werden, ggf. Weisungen in Bezug auf das Gut vornehmen zu können, z.B. dergestalt, dass die Ware (noch) nicht verschifft wird oder auf anderem Transportweg/Transportmittel zum Bestimmungsort gelangt.
Wie bei der Verkehrshaftungsversicherung gilt: Grundsätzlich sind, bei weltweitem Geltungsbereich, Transporte von und nach Israel versichert. Jedoch müssen Schäden aufgrund von „politischen Risiken“ gesondert betrachtet werden.
Nach aktueller Medienlage wird der derzeitige Nahost-Konflikt zwischen der Hamas und Israel als Krieg eingeschätzt. Ob es sich bei dem Konflikt um kriegsähnliche oder politische/terroristische Aktivitäten handelt, ist in der Transportversicherung von essentieller Bedeutung.
Denn: Die Gefahren des Krieges, Bürgerkrieges oder kriegsähnlicher Ereignisse und solche, die sich unabhängig vom Kriegszustand aus der feindlichen Verwendung von Kriegswerkzeugen sowie aus dem Vorhandensein von Kriegswerkzeugen als Folge einer dieser Gefahren ergeben, sind in der Transportversicherung im Grundsatz ausgeschlossen.
Einschlüsse für politische Gefahren
- Wiedereinschluss der Kriegsklausel
In den Policen der SCHUNCK GROUP wird dieser Ausschluss allerdings über die sogenannte „DTV-Güter 2008 Kriegsklausel für die Versicherung von Seetransporten sowie von Lufttransporten im Verkehr mit dem Ausland“ wieder eingeschlossen.
Es sind in diesem Wiedereinschluss jedoch keine Schäden durch Kriegsaktionen an Land versichert, die Klausel erfasst ausschließlich See- sowie Lufttransporte im Verkehr mit dem Ausland. Für solche Beförderungen besteht auch für Kriegsrisiken voller Versicherungsschutz im Rahmen unserer Policen. - Streik- und Aufruhrklausel
Im Falle von Kriegshandlungen (und von solchen ist aktuell auszugehen) greifen die in den Policen der SCHUNCK GROUP vereinbarte DTV Streik- und Aufruhrklausel nicht. Diese würden auch an Land Verlust oder Beschädigung der versicherten Güter, die verursacht werden durch Streikende, Ausgesperrte, oder durch Personen, die sich an Arbeitsunruhen, terroristischen oder politischen Gewalthandlungen, unabhängig von der Anzahl der Personen, oder an Aufruhr und sonstige bürgerlichen Unruhen beteiligen, decken.
- Beschlagnahmung oder Entziehung von „hoher Hand“
Risiken wie die Beschlagnahmung und Entziehungen von „Hoher Hand“ sind ebenfalls grundsätzlich in den allgemeinen Versicherungsbedingungen der Transportversicherung ausgeschlossen.
Aber: In Policen der SCHUNCK Group schließen wir diese Risiken durch die Beschlagnahmeklausel der DTV-Güter 2008 oder individuellen Vereinbarungen mit ein. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass kriegsbezogene Beschlagnahmen in der Regel NICHT versichert sind.
Sonderkündigungsrechte für Versicherer
Die drei oben genannten Einschlüsse für politische Gefahren beinhalten üblicherweise ein kurzfristiges Sonderkündigungsrecht für den jeweiligen Versicherer von zwei Tagen, um auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können.
Zusätzlich haben Versicherer bei laufenden Policen die Möglichkeit, einzelne Regionen, die sich in einem Kriegszustand oder in kriegsähnlichem Zustand befinden, gänzlich aus der Versicherung zu kündigen. Dies gilt demnach für alle Risiken!
Allerdings muss der Versicherer, der den Versicherungsschutz für eine oder mehrere Regionen kündigen will, dafür in der Regel eine Frist von einer Woche einhalten.
Wichtig: Von beiden Kündigungsmöglichkeiten haben die Versicherer in Deutschland noch keinen Gebrauch gemacht. Aktuell ist nicht von Kündigungen auszugehen, wir werden die aktuelle Lage beobachten und ggfs. Informieren.
Aktuell gibt es trotz der Reisewarnung durch das Auswärtige Amt keine Einschränkungen beim Versicherungsschutz bezogen auf das „passive“ (!) Kriegsrisiko.
Das „aktive“ Kriegsrisiko ist bei den meisten Versicherern ohnehin ausgeschlossen. Bei einigen ist der Begriff „aktives Kriegsrisiko“ sehr weit gefasst. Jedwede Belieferung der Armee (dies gilt auch für nicht -militärische Güter z.B. des täglichen Bedarfs) gilt hierbei als aktive Kriegsteilnahme. Bei der Gothaer ist es abgeschwächt und bezieht sich ausschließlich auf Rüstungsgüter wie z.B. Ersatzteile. Humanitäre Hilfeleistungen fallen dabei nicht unter das aktive Kriegsrisiko.
Im Hinblick auf die Auslandsreisekrankenversicherung (ARKV) ist nach unserem aktuellen Kenntnisstand nur eine aktive Kriegsteilnahme ausgeschlossen. Es wird allerdings seitens einiger Risikoträger darauf hingewiesen, dass z.B. Rücktransporte evtl. nur unter erheblichen Verzögerungen durchgeführt werden können.
Der Versicherungsschutz der Unfallversicherung ist weiterhin uneingeschränkt gewährleistet. Es besteht aber bei vielen Versicherern die Möglichkeit, den Versicherungsschutz mit 14tägiger (z.B. R+V Versicherung) bzw. 7tägiger (Gothaer Versicherung) Frist für Aufenthalte in Israel zu kündigen.
Sofern (logistische) Dienstleistungen für staatliche Stellen in Israel erbracht werden, bitten wir um Rücksprache mit Ihrem/-er Ansprechpartner/-in bei der SCHUNCK GROUP, um den Schutz Ihrer Mitarbeitenden zu prüfen und sicher zu stellen.
Sie haben Fragen zur Verkehrshaftungsversicherung?
Stephan Rieß
Ihr Anliegen zur Transportversicherung?
Rudolf Eder
Unfallversicherung oder ARKV
Achim Schneider